Recruiting Talk #2: Wie reagiert die Arbeitswelt auf Corona?

Matthias Mäder von Prospective Media/ JobIQ unterhält sich mit seinen Gästen über die aktuelle Situation auf dem Schweizer Arbeitsmarkt und präsentiert aktuelle Zahlen welche Prospective über die geschalteten Stelleninserate erhoben hat. Wie hat sich die Stellensuche und das Bewerbungsverhalten aktuell verändert?

Matthias Mäder: Wie nehmt ihr vor dem Hintergrund von Corona die aktuelle Arbeitswelt wahr?

Michael Agoras: Das hängt von der Branche ab. Logistik und Transport suchen sehr viele Mitarbeitende, einige Spitäler platzen aus allen Nähten – andere mussten Kurzarbeit einführen. Das zeigt: Eine generelle Aussage zum Arbeitsmarkt, die für alle Branchen und alle Teile der Schweiz gilt, ist im Moment kaum möglich.

Pascal Paulus: Wir von der SWICA haben Mitte März einen starken Break gespürt: Es sind kaum mehr Bewerbungen eingegangen. Dementsprechend mussten wir uns der neuen Situation anpassen und überlegen, wie wir mit dieser Ausgangslage noch rekrutieren können. Mittlerweile hat sich die Situation beruhigt, die Prozesse angepasst und unser Team wieder eingespielt. Wir sehen es als Chance, die Innovationen, die wir jetzt bei der SWICA eingeführt haben, auch nach der Krise beizubehalten.

Matthias: Welche Massnahmen hat die SWICA denn in Sachen Employer Branding eingeführt?

Pascal: Konkrete Corona-Massnahmen haben wir im Employer Branding nicht eingeführt. Immerhin wollen wir die Situation nicht für unsere Zwecke missbrauchen. Auch finde ich es nicht ideal, wenn sich Unternehmen jetzt damit brüsten, dass sie Mitarbeiter-Prävention betreiben – immerhin soll Mitarbeiter-Prävention ja immer ein zentrales Thema sein. Klar ist, dass sich Arbeitsuchende jetzt – in diesen doch eher unsicheren Zeiten – vermehrt an sichere und stabile Unternehmen wenden. Unternehmen, die sich bis anhin im Employer Branding nicht so positioniert haben, sind jetzt wohl im Nachteil.

Matthias: Pascal, bei der SWICA läuft die Rekrutierung jetzt also wieder normal weiter. Wie kommt das?

Pascal: Ich denke, latent Suchende sind jetzt weniger empfänglich für Jobwechsel. Wer aber bereits vor der Corona-Krise den Job wechseln wollte, der zieht das durch – so haben wir das zumindest erlebt. Klar, Arbeitsuchende möchten jetzt noch mehr Sicherheit und wählen stabile Firmen, die vermeintlich weniger krisenbetroffen, resp. -resistent sind.

Michael: Ich sehe das auch so. Ich stelle fest, dass gewissen Branchen wie beispielsweise die Gastronomie hinsichtlich Rekrutierung praktisch ausgestorben sind. Da werden keine neuen Mitarbeitenden eingestellt. Personen, die aber bereits vor der Krise im Jobwechsel-Prozess waren, ziehen das jetzt trotzdem durch – einfach mit einem erhöhten Sicherheitsdenken.

Matthias: Die Anzahl Klicks pro Bewerberbutton sank Mitte März rasant – jetzt im April hat sich das aber schon fast wieder auf den Wert vor Corona eingependelt. Wie sieht das bei der SWICA aus: Klicken die Leute noch auf eure Stellenanzeigen?

Pascal: Das sah bei uns in der SWICA in der Tat ähnlich aus: Am Anfang der Corona-Krise klickten weniger Interessenten auf unsere Stellenanzeigen. Mittlerweile hat sich das aber erholt, respektive die Tendenz ist auf jeden Fall steigend.

Matthias: Was ratet ihr den Unternehmen jetzt: Müssen sie in den Nachwuchs investieren, an ihrem Employer Branding schrauben oder…?

Michael: Unternehmen, die bis jetzt kein Employer Branding betrieben haben, werde das jetzt auch nicht nachholen. Dafür ist die Krise zu präsent, der operative Druck zu hoch. Ganz klar empfehle ich transparente Kommunikation in den betroffenen Unternehmen. Auch sollten strategische Themen mittel- oder langfristig wieder aufgenommen werden.

Pascal: Wir von der SWICA betreiben sowieso schon sehr stark Nachwuchsförderung – das müssen wir jetzt nicht künstlich erhöhen. Bis der Arbeitsmarkt wieder im Normalzustand ist, werden bestimmt noch einige Jahre vergehen. Klar ist auch, dass sich in der kommenden Zeit bedeutend mehr Leute bewerben werden müssen – und das in erster Linie wohl bei stabilen und beständigen Unternehmen tun werden.

Expertentipps: 

Michael:

  1. Perspektiven: Wo stehe ich im Berufsleben?
  2. Bescheidenheit: Warum will ich eigentlich wechseln?
  3. Aktiv bleiben: Bewegen Sie sich aktiv auf Social Media

Pascal:

  1. An Unternehmen: Prozesse am Laufen halten und Altbewährtes so lassen, wie es ist
  2. An Arbeitnehmer: Suchen, suchen, suchen – «en lange Schnuuf bewiise»

Moderator: Matthias Mäder

Seit über 20 Jahren im Recruiting Business aktiv.Mehrere Jahre für Adecco als Branch Manager tätig, anschliessend bei Tamedia AG verantwortlich für Jobwinner.ch, ALPHA.ch und die Printstellenmärkt ALPHA und Stellen-Anzeiger. Die letzten 13 Jahren leitete er die Prospective Media Serives AG welche sich als Agentur und Software Anbieter auf Recruiting Solutions spezialisiert hat (Multiposting, Personalmarketing, E-Recruiting, Analytics). Gast Dozent an der ZHAW, Mitbegründer des HR Bar Camp Zürich sowie Gründer der Recruiting Convention Zürich. Aktuell befasse ich mich intensiv mit den Themen Programmatic Job Advertising, Analytics in der Rekrutierung sowie dem neuen Berufsbild des Recruiters.

Pascal Paulus (SWICA)

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KV-Lehre Medienwelt (Ringier), anschliessend 3 Jahre bei Headhunter (hans hofmann & partner) im Medien-/Verlagswesen, danach Ausflug in Event- und Promotionsbranche als Projektleiter, Betriebswirtschaft studiert, Rückkehr in Vermittlungsbranche (Adecco), dann Aufbau Recruiting und interner Personalverleih bei SV Group, nun seit 1.2017 bei SWICA, anfänglich als HR Business Partner, seit bald einem Jahr Aufbau nationales Recruiting-Kompetenzcenter und Verantwortung Arbeitgebermarke. Berufsbegleitend Personalpsychologie am IAP studiert.

Michael Agoras (PermServ AG)

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Michael Agoras ist seit über 30 Jahre in der Recruiting Branche tätig. Er hat sich über die Jahre ein fundiertes Wissen über den Schweizer Arbeitsmarkt aufgebaut. Über 13 Jahre leitete er als CEO die Adecco Schweiz und gründete im 2016 die PermServ AG. PermServ betreut, begleitet und vermittelt qualifizierte, spezialisierte und getestete Fach- und Führungskräfte. Zusätzlich betreut er diverse Verwaltungsratsmandate und befasst sich mit der PermServ Consulting rund um die Themen Nachfolgeplanungen, Umstrukturierungen und Sanierungen.