Clubhouse Session: Programmatic Job Advertising – worum geht es?

Neue Formen und Kanäle zu nutzen ist ein Merkmal von Programmatic Job Advertising. Einen neuen Kanal hat auch die Gesprächsrunde des Recruiting Talk mit der App Clubhouse genutzt und das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.

«Ist Programmatic Job Advertising ein Produkt oder ein System, das zur Anwendung der Produkte notwendig ist?» Das wollte Matthias Mäder, CEO von JobIQ und VR Präsident von Prospective von seinen Gästen wissen. Der Begriff «Programmatic» sei leider zu einem Buzzword verkommen, meinte Marco Caduff, Head Programmatic Sourcing von JobCloud. In ihrem Unternehmen werde es als einfacher Weg bezeichnet, um Werbung auf verschiedensten Plattformen anzubieten. «Dass Programmatic angereichert ist mit Machine Learning und Künstlicher Intelligenz muss den Kunden nicht kümmern.»

Norman Mauer, Recruitment Evangelist bei Indeed, würde Programmatic Job Advertising eher als Infrastruktur betrachten. «Der Grund liegt darin, dass die Anwendung nur so gut sein kann, wie die dahinter liegende Datengrundlage und Steuerung. Das macht es komplex, gleichzeitig aber auch sehr spannend und effektiv.»

Programmatic Job Advertising in der Praxis

Den Blickwinkel der Praxis und die Einbettung in die Rekrutierungsstrategie bringt David Luyet, Head Talent Attraction bei Swisscom ein. «Unsere Herausforderung ist die Entscheidung, wo uns Programmatic Job Advertising unterstützt. Für Jobs, die wir einfach besetzen können, brauchen wir es nicht. Bei Stellen für spezialisierte Fachkräfte hilft es uns nicht, weil diese direkt angeschrieben werden wollen.» Für Florian Schrodt, Leiter Personalmarketing der VBZ bietet es zwei Vorteile: «Ich kann erstens ein Inserat kostengünstig auf den Markt bringen und zweitens dieses zielgerichtet platzieren.» Die wahre Herausforderung liege allerdings darin, die Zielgruppe, deren Aufenthaltsorte im Internet und ihre Bedürfnisse genau zu kennen. Notwendig sei auch eine klare Zielsetzung: Sollen sich potenzielle Kandidaten bewerben oder sollen sie bloss auf das Unternehmen aufmerksam werden?

«Diese Vorarbeit ist extrem wichtig», bestätigt David Luyet. «Ein Instrument ohne diese Vorarbeit einzusetzen, funktioniert oft nicht. Aber die Vorarbeit ist sehr aufwändig», fügt er an. Auch Norman Mauer schlägt in dieselbe Bresche, denn «die Vorarbeit ist notwendig, damit wir für die Kunden das passende Setup machen können». Allerdings werde sie zu oft nicht gemacht und die Kampagne deshalb nicht erfolgreich.

Den Erfolg messsen

Über Erfolg lässt sich ebenfalls streiten. «Reicht es, wenn die Inserate auf Facebook zwar beachtet werden, sich aber keiner bewirbt?», will Matthias Mäder wissen. Florian Schrodt plädiert für das Messen von Teilschritten. «Indem wir den gesamten Prozess anschauen und beobachten, wie potenzielle Kandidaten sich verhalten, lernen wir an jedem einzelnen Punkt die Zielgruppe besser kennen. Gleichzeitig hat man so die Zügel in der Hand und kann entsprechend eingreifen».

Pay per Performance

Wofür ist der Kunde bereit sein Geld auszugeben? Bezahlt er bereits für die Clicks, für eingehende Bewerbungen oder erst wenn die Stelle besetzt werden kann? Wie müsste ein solches Pay per Performance System gestaltet sein? Die Bereitschaft, für Clicks und damit auch für die Einsicht in die Daten zu bezahlen, müsse wohl noch aufgebaut werden, mutmasst David Luyet. Dazu brauche es mehr Verständnis und Interesse der Kunden. Ein Beispiel dazu bietet Florian Schrodt: Busmechaniker könne man an einer Hand abzählen, also habe die VBZ nach Automechanikern

gesucht verbunden mit einem Ausbildungsangebot zum Busmechaniker. Schnell bestand Kontakt zu rund 20 Personen. Die offenen Stellen wurden besetzt, gleichzeitig sei das interne Interesse an den Kandidaten für andere offene Stellen in der VBZ aufgeflammt.

Auch für kleine Firmen

Als Anbieter von Pay per Performance Modellen hat Marco Caduff die Erfahrung gemacht, dass die professionellen Recruiter von Grossunternehmen die ersten Nutzer gewesen seien. Allerdings sieht Marco Caduff auch viel Potenzial für KMU und sogar für Kleinstfirmen. Für Norman Maurer ist entscheidend, dass die Unternehmen ihre Stellenanzeige so verfassen, dass sie auf ihre Zielgruppe ausgerichtet ist. «Schafft man das, so kann sich auch Pay per Performance durchsetzen», ist er überzeugt.

Zielgruppe verhält sich anders

Zu bedenken sei aber, so Matthias Mäder, dass es nicht das Ziel sei, mit Pay per Performance bloss ein neues Abrechnungssystem einzuführen, sondern damit das Finden der Zielgruppe zu verbessern. Das befürwortet auch David Luyet. Zwar versuche man möglichst kostengünstig die Dienstleistung der Jobportale einzukaufen. «Manchmal merkt man aber beim Eintauchen in die Daten, dass die Zielgruppe, die man in- und auswendig zu kennen glaubt, sich anders verhält und auf andern Kanälen besser gefunden wird.»

Ob alle Stellen eines Unternehmens, die einfach und die schwer zu besetzenden, mit Programmatic Job Advertising eines Anbieters besetzt werden sollen, ist strittig. Während Marco Caduff klar dieser Meinung ist, weil aufgrund der Datenlage die Chance grösser sei zielorientiert Kandidaten zu finden. Demgegenüber vertritt Florian Schrodt die Meinung, einfach zu besetzende Stellen traditionell auszuschreiben und Zeit und Geld lieber in die schwer zu besetzenden Stellen zu investieren.

Candidate Experience

Ein nicht zu vernachlässigender Punkt sei die Candidate Experience, wirft Matthias Mäder ein. «Wenn diese schlecht ist, kommt es nicht zur Bewerbung, egal wie gut Programmatic Job Advertising ist». Den Bewerbungsprozess zu vereinfachen, Hürden abzubauen, auf die Kandidaten zuzugehen lautet hier die Losung der beiden Vertreter von Swisscom und VBZ. Norman Mauer schildert, dass in einem solchen Fall rasch reagiert und mit dem Kunden der Bewerbungsprozess besprochen werden müsse. «Trotz einer guten Datengrundlage kann die Maschine nicht alles leisten. Die übergeordnete Strategie im Recruiting müssen Menschen bestimmen. Dazu gehört beispielsweise auch zu entscheiden, ob wirklich für alle Stellen das Einsenden eines Lebenslaufes nötig ist.»

Einigkeit herrscht im Gespräch über die traditionellen Stellenanzeigen: Sie werden wahrscheinlich länger überleben, als man denkt. Auf die lange Sicht werde sich aber Programmatic Job Advertising für die Stellenbesetzung oder auch Programmatic Advertising für Employer Branding durchsetzen. «Die Möglichkeit verschiedenste Kanäle zu bespielen, ist enorm», meint Marco Caduff. Darauf, wie sich der Jobmarkt im Jahr 2021 entwickeln wird, sind alle neugierig. Dass diejenigen gewinnen werden, die sich intensiv mit den Zielgruppen für ihre Stellen auseinandersetzen werden, davon sind alle Gesprächsteilnehmer überzeugt.